Wasserbilder
Über die Ausstellung Wasser von Kay Zimmermann im Baumhaus, Wismar
einleitende Worte zur Ausstellung
Wild und erhaben, geweihtes Wasser, Sintflut, Stille und lautes Getöse ... es sind die Gegensätze, die mir als erstes in den Sinn kommen beim Durchwandern dieser Ausstellung, die Unterschiedlichkeiten der Arbeiten von einem Künstler mit einem Medium: Fotografie.
Kay Zimmermann, geboren 1968 und aufgewachsen hier in Wismar und Umgebung, beschäftigt sich seit seiner Jugend fotografisch mit dem Thema Wasser. Er zeigt uns hier eine kleine Auswahl seiner Arbeiten aus den Jahren 2000 bis 2010.
Wasser, symbolisch gesehen, gilt als der Ursprung allen Lebens und ist in vielen Religionen und Mythen Sinnbild für Fruchtbarkeit und Sexualität. Wasser symbolisiert Tod und Wiedergeburt, es gilt in Form des Tauf- oder Weihwassers als erneuerndes und reinigendes Element. In seiner Formlosigkeit steht Wasser auch für das Chaos: die Urmaterie, aus der alles entstanden ist. Hier kann es auch gleichgesetzt werden mit den Mächten der Finsternis und des Bösen ... eine alles verschlingende Macht. (...)
Wenn ich mir die Geräusche des dargestellten Wassers vorstelle, geht es vom leisen Säuseln über Knistern, Schneegriesel in Berlin, Nieselregen über dem Hardanger, Regen auf Usedom – es gluckert, gluckst, rauscht und knallt in den Gebirgsbächen Norwegens ... Ich stelle mir auch den Wind vor am Strand, in den Bergen, der über Puschelgräser in Norwegen ebenso wie über die trockenen Gräser am Kanal in Schkeuditz bei Leipzig weht. (...)
In den Leinwänden geht es dem Fotografen um das direkte Erlebnis eines Stücks Natur, fassbar und nah. Viele der digitalen Aufnahmen scheinen geradezu modelliert zu sein – das zu formende Material sind Bildstücke, Strukturen, Bildräume und Farben. Die Stofflichkeit der Leinwand und die Tiefe des Rahmens machen das Bild zum Objekt. Das Erlebnis wird ein plastisches und die Kunst real im Raum begreifbar.
Vor 11 Jahren, lange bevor Online-Agenturen Drucke auf billiger Leinwand zum Spottpreis anboten, experimentierte Kay Zimmermann mit Leinwand. Die ersten Arbeiten entstanden, indem Fotoemulsion direkt auf die Leinwand aufgetragen und belichtet wurde. Diese Ergebnisse waren grob und rauhbeinig, geheimnisvoll und furchtbar ehrlich.
In jahrelanger Verfeinerung der Technik und fotografischer Reflexion des Themas Wasser ist es über die delikaten Analog-Aufnahmen von Wellenbewegungen vor der Insel Poel über nunmehr verschwommene, fast träumerisch anmutende Fotografien der Wasserbewegung an der Costa del Luz zu der Verfolgung von norwegischen Gebirgsflüssen gekommen. Es gibt kein intellektuelles Konzept, vielmehr einen Hunger nach Erkenntnis, nach Tiefe und nach der Spiegelung unserer Existenz in den Phänomenen der Natur.
Der letzte Raum der Ausstellung führt hin in die stillen und meditativen Eigenschaften des Elements Wasser. Ruhige See, drei Hochformate in engem Ausschnitt des Meeres um Usedom. Was hier erstaunt, ist die zum Ausdruck gebrachte Weite, selbst auf so kleiner Bildfläche. Die Dinge kommen zur Ruhe, das Wenige schafft viel Raum für ein Weiterdenken. Fein kräuseln sich bei genauem Hinschauen die Wellen hinter dem Glas des Rahmens, ein Gefühl von Ferne kommt auf. In ihrer Gesamtheit von Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen bildet das Triptychon die Möglichkeit, über das nachzudenken, was wirklich wichtig ist. Die Welle – analog aufgenommen hier bei Wismar – vereint hingegen die Kraft der Bewegung des Wassers, ich sehe das Wasser atmen, bin empfindende Andacht. Dazwischen erhebt sich der Ozean an der Costa del Luz im Miteinander von Hell und Dunkel, unspektakulär und doch besonders.
Elisabeth Howey
www.elisabethhowey.de